Bildbearbeitung

Beim digitalen Entwickeln der Rohdaten lege ich großen Wert auf Authentizität und Behutsamkeit, damit die Fotografien die natürliche Schönheit, die ich vorgefunden habe, glaubwürdig wiedergeben. Meine Bilder sind nicht manipuliert, aber immer bearbeitet (was unumgänglich ist, weil dies bereits in der Kamera durch den Bildprozessor geschieht, der die Daten des Sensors interpretiert).

Gelegentlich werde ich auf das Problem der Glaubwürdigkeit der Digitalfotografie angesprochen – denn digitale Bilder sind in der Tat relativ leicht manipulierbar. Die Frage stellt sich aber im Grunde nicht erst seit der Digitalfotografie, sondern bereits seit den Anfängen der Fotografie. Schon früh haben Fotografen erkannt, dass nicht nur die optischen Eigenschaften des Objektivs und die gewählte Blende und Belichtungszeit Einfluss auf die Bildwiedergabe hat, sondern dass auch das verwendete Filmmaterial, das Fotopapier, die Chemikalien, usw. das Bildergebnis beeinflussen.

Selbst das Auge des Betrachters spielt bei der Wahrnehmung von Fotografien eine Rolle. Kann er die Bilder mit seinen Sehfähigkeiten in voller Schärfe wahrnehmen? Kann er Farbtöne ausreichend differenzieren? Spielt das Licht, das während des Betrachtens auf eine Szene oder Fotografie fällt, eine farbverändernde Rolle? Nachdem der Maler Claude Monet in der Spätphase seines Wirkens an grauem Star erkrankt war, hatte dies Auswirkungen auf seine Bilder. Er malte zwar weiterhin die Wirklichkeit, wie er sie wahrnahm – doch waren die Betrachter seiner Bilder irritiert: krankheitsbedingt schwand deren Schärfe und die sonst von Monet bevorzugt eingesetzten Blau- und Grüntöne wichen gelben und braunen Erdtönen. Was ist nun „die Wirklichkeit“?

Die Kunst der Fotografie besteht seit jeher darin, die dreidimensionale Wirklichkeit mit Hilfe fotografischer Techniken in eine zweidimensionale Momentaufnahme zu übertragen. Die spezifischen Eigenschaften der verwendeten Materialien benutzt der sachkundige Fotograf, um seine Bildaussage zu unterstreichen. Was früher durch die Wahl eines bestimmten Filmmaterials mit bestimmten Eigenschaften (z.B. besonders stark gesättigte Farbwiedergabe) erzielt wurde, übernimmt heute in modernen Digitalkameras der Sensor im Zusammenspiel mit dem Bildprozessor. Dabei kann der Fotograf für jedes Foto die Wiedergabeeigenschaften des „Materials“ neu festlegen, indem er an der Kamera neben Blende und Belichtungszeit auch ISO-Wert, Details zur Farbwiedergabe – wie z.B. Picture Styles, Tonwertpriorität, Kontrast, Sättigung – und vieles mehr einstellen kann. Wie früher auch interpretiert der Fotograf mit der Kamera also die Wirklichkeit – das entstandene Foto ist aber nicht die Wirklichkeit – schon allein deswegen nicht, weil eine Fotografie nur einen zeitlich sehr begrenzten, subjektiv gewählten Ausschnitt zeigen kann und dabei auch immer etwas ausblendet und verschweigt.

Damit sind die gestalterischen Möglichkeiten des Fotografen noch nicht erschöpft. Der analoge chemische Entwicklungsprozess wurde durch einen digitalen Entwicklungsprozess abgelöst: Aus den Rohdaten (sozusagen dem digitalen Negativ, dessen Kontrastumfang deutlich höher ist als das eines JPG-Bildes) wird die endgültige Fassung des Bildes herausgearbeitet. Belichtung und Farbwiedergabe können (in gewissen Grenzen) sehr detailliert und genau gewählt werden – ähnlich wie früher, als die Helligkeit einzelne Bildpartien durch längeres Belichten oder Abwedeln kontrolliert werden konnte.

Fotografien waren und sind also immer interpretierende Abbildungen der Wirklichkeit. Ich selbst lege großen Wert auf die Authentizität meiner Bilder, d.h.: Ich nutze die optischen und elektronischen Mittel von Kamera, Objkektiv und RAW-Format, um meine Bildaussage zu unterstreichen. Dabei passe ich die Belichtung, die Helligkeit von Schatten und Lichtern, den Kontrast und die Tonkurven an, um ein bestmögliches Ergebnis mit einer guten Durchzeichnung zu erzielen. Ich greife aber nicht durch Retuschen, Kollagetechniken o.ä. in den Bildinhalt ein.